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Koronarintervention: Was gibt es Neues ? S. Silber Herzkatheterlabor der Kardiologischen Gemeinschaftspraxis in der Klinik Dr. Müller, München Z Kardiol 88: II/48, (1999)
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Nach über 20 Jahren hat sich die perkutane Koronarintervention (PKI bzw. PCI) mit weltweit über 1 Mio Prozeduren fest etabliert. Obwohl bei der einfachen Ballondehnung (PTCA) das Plaquematerial, welches die Stenose verursacht, lediglich verschoben wird, konnte eine Überlegenheit der an sich logischeren Abtragung des Plaques durch alternative Verfahren (direktionale Atherektomie = DCA, Laser, Rotablation) nicht nachgewiesen werden. Unbefriedigend sind nach wie vor die Langzeitergebnisse bei der Behandlung von Bifurkationsstenosen, die einen wichtigen Seitenast mit einbeziehen. Da gerade bei diesen eine Materialabtragung wichtig ist, bietet möglicherweise die Kombination von Materialabtragung mit speziellen Stent-Techniken (T-Stenting, Culotte-Technik u.a.) insbesondere mit neueren, speziellen Bifurkationsstents Vorteile. Die generelle Verwendung von Koronarstents hat heute mit weltweit jährlich über 500.000 Implantationen rasant zugenommen. Dies kann zum Teil durch die verbesserte Flexibilität (torquierte Gefäße) und ein niedrigeres Profil (kleinere Gefäße) erklärt werden kann. Trotz (oder wegen ?) dieser "Stentomanie" liegt die Rate von in-Stent Restenosen bei ca. 30%. Der Stellenwert neuerer, speziell beschichteter Stents (z. B. Diamantbeschichtung, Tantalumbeschichtung) ist noch unklar. Obwohl Goldstents den Vorteil der besseren Sichtbarkeit bieten, ist ihr prognostischer Stellenwert derzeit umstritten. Ausgehend von der Erkenntnis, daß für die in-Stent Restenose ein unkontrolliertes Zellwachstum ("Tumor") verantwortlich ist, gewinnt die intrakoronare Brachytherapie (Afterloading) zunehmend an Bedeutung. Sowohl der Nutzen von Gammastrahlen (mit Iridium-192: SCRIPPS-1, WRIST, GAMMA-1, ARTISTIC) als auch der von Betastrahlen (Strontium/ Yttrium-90: Beta-WRIST) konnte klinisch relevant dokumentiert werden. Die intrakoronare Brachytherapie kann heute durchaus als eine therapeutische Alternative zur koronaren Bypassoperation bei diffusen, rezidivierenden in-Stent Restenosen angesehen werden. Die Notwendigkeit bzw. der optimale Zeitpunkt einer invasiven Diagnostik bzw. Koronarintervention beim akuten Koronarsyndrom (ACS) bleibt weiterhin umstritten: Die negativen Daten zur raschen Intervention bei Patienten mit nichttransmuralem Myokardinfarkt in der VANQWISH-Studie sind allerdings durch die relativ hohe Mortalität der Bypass-operierten Patienten zu erklären. Nachdem sich in TIMI-III-B zumindest kein Nachteil für eine rasche Koronarintervention ergeben hat, konnte erst kürzlich in der FRISC-II Studie eine verbesserte Prognose durch eine rasche Koronarintervention gezeigt werden. Wahrscheinlich ist die großzügige Gabe von GP-IIb/IIIa-Inhibitoren in Kombination mit einer Stentimplantation im Thrombosebereich essentiell. Für das Entfernen thrombotischen Materials gibt es allerdings noch keine befriedigende Lösungen. Die nichtinvasive Koronarangiographie mittels Kernspintomographie (NMR) oder ultraschneller Computertomographie steht unverändert im Mittelpunkt der Forschung. Die Elektronenstrahltomographie (EBT) ist trotz ihrer sehr kurzen Belichtungszeit (0,1 s/Bild) durch ihr systembedingtes Auflösungsvermögen (3 mm) für die Herzkranzgefäße limitiert. Die Neuentwicklung ultraschneller Spiral-CTs (UCT) scheint bei ihrer immer noch kurzen Belichtungszeit (0,25 s/Bild) aufgrund ihres besseren räumlichen Auflösungsvermögens (effektive Schichtdicke 1,25 mm) und die gleichzeitige Erfassung von 4 Schichten sehr vielversprechend. Die nichtinvasive Koronarangiographie (zumindest der proximalen Segmente der großen Koronararterien) könnte einerseits zu einem Rückgang der diagnostischen Herzkatheteruntersuchungen, andererseits aber auch zu einem weiteren Anstieg der Koronarinterventionen (zur Zeit in Deutschland ca. 130.000 jährlich) führen. Die Finanzierbarkeit dieses Technologiesprungs ist offen. |