Als "Kampfansage an die Kassenärzte" hat die Kassenärztliche
Bundesvereinigung den SPD-Entwurf eines neuen Gesundheitsstrukturgesetztes
gewertet. Im Mittelpunkt dieses Parteiprogramms, für das
Herr Rudolf Dreßler verantwortlich zeichnet, steht die Abschaffung
des bisherigen Prinzips (Chefarztermächtigung bei regionaler
Unterversorgung in Spezialgebieten) und somit die institutionelle
Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante, spezialärztliche
Versorgung. Der schöne Ruf "so viel ambulant wie möglich,
so wenig stationär wie nötig" wird von uns niedergelassenen
Ärzten anders interpretiert als von der SPD: Wir verstehen
unter ambulant die Versorgung im niedergelassenen Bereich, die
SPD meint aber mit ambulant die Krankenhäuser.
In dem Gesetzentwurf der SPD wird die Vertragsautonomie der KVen
und Krankenkassen praktisch beendet: Der SPD-Entwurf rüttelt
an den Grundfesten der ärztlichen Interessensvertretung.
Die "Selektion" der niedergelassenen Ärzte in Hausärzte
und Fachärzte wird von der SPD noch erheblich weiter vorangetrieben:
Hausärzte sollen weitgehend pauschaliert vergütet werden,
der Umsatz der Fachärzte soll ab 1. 1. 1998 zunächst
um 20% abgesenkt werden, wenn ein Patient den Spezialisten ohne
Überweisung aufsucht (de facto Einführung des Primärarztsystems).
Aber damit nicht genug: Nach dem SPD-Programm sollen die Krankenhäuser
als Institution - und nicht etwa auf dem Wege persönlicher
Ermächtigungen und somit unabhängig vom regionalen Versorgungsbedarf
- in die ambulante fachärztliche Versorgung einbezogen werden:
den öffentlich geförderten Krankenhäusern soll
die Möglichkeit gegeben werden, sich um die Zulassung zur
fachärztlichen ambulanten Versorgung zu bewerben. Kein Wunder,
daß die SPD plant, die Zulassungsausschüsse gleichberechtigt
mit Landeskrankenhausgesellschaften zu besetzen.
Es genügt nicht, dieses SPD-Programm, welches ein "aus"
für die niedergelassenen Spezialisten bedeutet, einfach abzutun.
Angesichts der politischen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat
führt kein Weg an der SPD-Opposition vorbei. Offensichtlich
wollen alle Politiker das derzeitige Konzept, die Ausgaben im
Medizinbereich an das Bruttosozialprodukt zu binden, auf Dauer
festschreiben. Dementsprechend hat sich Bundesgesundheitsminister
Seehofer bereits mit der SPD-Zusammenarbeit angefreundet. Somit
besteht die Gefahr politischer Kompromisse, die alle niedergelassenen
Spezialisten aufgrund der ungleichen Wettbewerbschancen in ihrer
Existenz bedrohen und letztlich auf dem Rücken unserer Patienten
(zentralisierte gesundheitliche Versorgung an den Krankenhäusern)
ausgetragen werden.
Anläßlich des letzten Treffens des BNK in Rahmen der
Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie
- Herz- und Kreislaufforschung am 12. 4. 1996 in Mannheim, wurde
beschlossen, das obige Schreiben unseres 1. Vorsitzenden, Herrn
Dr. med. F. Sonntag, als offenen Brief an Herrn Oskar Lafontaine
abzudrucken.