Herz 22: 59, (1997)

BNK-Bayern beschließt Klage gegen den HVM

S. Silber

München

Hintergrund:

Während der EBM (einheitlicher Bewertungsmaßstab) zentral verabschiedet wird und in ganz Deutschland gleichermaßen gilt, wird zusätzlich auf regionaler Ebene die Honorarverteilung durch den jeweiligen HVM (Honorarverteilungsmaßstab) modifiziert. Der HVM bzw. seine Änderungen werden von der Vertreterversammlung (VV) der jeweils zuständigen regionalen KV beschlossen. Mit Wirkung zum 1.10.1996 verabschiedete die KV-Bayern einen konzeptionell völlig neuen HVM, der ein "individuelles Praxisbudget" einführt. Dies war umso erstaunlicher, als gerade das Modell des "individuellen Praxisbudgets" im Sommer 1996 als EBM-Modell zur Diskussion stand und mit großer Mehrheit abgelehnt wurde! Die KV-Bayern beschloß zur Berechnung des "individuellen Praxisbudgets", das maximal mögliche Honorar auf rund 83% des Umsatzes vom Vergleichsquartal IV/95 einzufrieren. Vorausgesetzt wird, daß pro Quartal die identische Patientenzahl behandelt wurde. Bei weniger Patienten wird weniger bezahlt, bei mehr Patienten tritt praktisch ein Nulltarif für den Überschuß in Kraft. Dies führte u. a. zu der in den Medien zitierten Äußerung des Radiologen L. Puchner (Neu-Ulm): "Wir empfehlen den Patienten dringend zu Gott zu beten, daß er sie gegebenenfalls möglichst früh im Quartal erkranken läßt, da am Quartalsende die Gelder knapp werden könnten". "Dem Radiologen, der seit November 1996 keine Kassenpatienten mehr durchleuchtet, weil das Budget seiner Praxis überschritten ist" (SZ Nr. 299), drohte Entzug des Kassenvertrages bis hin zum Approbationsentzug. Mehrere BNK-Mitglieder konnten anhand von betriebswirtschaftlich fundierten, detaillierten Berechnungen dokumentieren, daß eine Wirtschaftlichkeit bei Kassenpatienten unter diesen Voraussetzungen nicht mehr gegeben ist.

Verhandlungen:

Auf der VV der KVB vom 30.11.1996 wurde folgende Sonderregelung für fachärztliche Internisten beschlossen: Der Abzug von rund 17% (siehe oben) wird reduziert: Der Abzug von -7,39% im Primärkassenbereich und von -8,11% im Ersatzkassenbereich wird aufgehoben. Der Basisabzug von 9% bleibt aber bestehen. Als Folge erhöht sich der für die Praxis anzusetzende individuelle Fallwert. Alternativ wurde angeboten (bei unverändertem Abzug von 17%), für alle Mehrfälle gegenüber dem Vergleichsquartal den Fallwert mit einem Punktwert von 4,5 Pfennig zu vergüten und nicht mit dem ursprünglichen Mehrleistungspunktwert von 0,5 Pfennig. Die für die jeweilige Praxis bessere Alternative wird von der KVB in der endgültigen Abrechnung für IV/96 herangezogen.

BNK- Urabstimmung per Fax:

In mehreren Fax-Aktionen wurden alle BNK-Mitgliedern der Sektion Bayern über das Für und Wider der Annahme des oben genannten Vorschlages informiert. Einige Kollegen berechneten, daß auch diese modifizierte Regelung nicht ausreichen wird. Andererseits sind aber die eventuellen Folgen einer Klage gegen den HVM nicht mit Sicherheit abzuschätzen. Wichtig war die Tatsache, daß die "garantierten" 9% bei genauem Durchlesen des Beschlusses letztlich variabel sind, da dieser Abschlag soweit erhöht werden kann, bis ein fiktiver Punktwert von 10 Pfennig erreicht wird.

Bei der "Fax-Urabstimmung" waren 117 Mitglieder wahlberechtigt. 3 hatten allerdings kein Faxgerät, somit verblieben 114 mögliche Stimmen. Mit "Ja" stimmten 64 Mitglieder, 18 mit "Nein". 2 Enthaltungen, 30 hatten keine Stimmen abgegeben. Somit war die Wahlbeteiligung 74% (84/114). Von den abgegebenen Stimmen wählten 76% mit "Ja" (64/84). Selbst wenn alle nicht abgegebenen Stimmen dagegen gewesen wären, hätte "Ja" immer noch die absolute Mehrheit der BNK-Mitglieder in Bayern (64/ 117 = 55%).

Für den BNK-Vorstand Bayern (Drs. Soballa, Silber und Goss) war dies ein klares Mandat. Am Dienstag, den 24.12.1996 gingen die Anträge auf Gewährung von Vorläufigem Rechtsschutz in die Post. Kernstück des einen Antrages ist ein Formfehler (Nichteinhaltung von Fristen gemäß der Geschäftsordnung der KV-Bayern). Der andere Antrag richtet sich gegen das de facto geschaffene Berufsverbot.

Autor:
Priv. Doz. Dr. med. S. Silber
Herzkatheterlabor der
Kardiologischen Gemeinschaftspraxis in der Klinik Dr. Müller
Am Isarkanal 36
81379 München
ssilber@med.de